Die Seine scheint eine inspirierende Wirkung zu haben. Schließlich entstanden einige der bekanntesten Werke der Kunstgeschichte entlang des Flusses. Monet schuf in Giverny seine Seerosen, Manet in Paris das “Frühstück im Grünen” und Renoir malte bei Chatou sein “Frühstück der Ruderer”.
Auch das Werk, das dem Impressionismus zum Namen verhalf, entstand an der Seine. Monet malte sein Ölbild “Impression. Soleil levant” – “Impression. Sonnenaufgang” in Le Havre. Ein Kritiker war der Meinung, dass selbst “eine Tapete in ihrem Urzustand” ausgearbeiteter sei als dieses Bild. Auch wenn die Kritik verheerend war, hatten die Künstler nun ihren Namen. Man nannte sie fortan die Impressionisten.
Giverny – Monets Freiluftatelier
Rund 80 Kilometer westlich von Paris – bei Stromkilometer 147 der Seine – liegt Giverny. Dort richtete sich Monet in seiner zweiten Lebenshälfte sein eigenes Freiluftatelier ein. Bei Zugfahrten zwischen der normannischen Küste und Paris bzw. den Pariser Vororten hatte er die Gegend bereits kennengelernt. In den 1880er Jahren mietete er dann das Haus, das er einige Jahre später kaufte.
Besucht man Monets Haus in Giverny, mag man meinen, ein Kunstwerk zu betreten. Die grünen Fensterläden auf der rosafarbenen Fassade wirken bilderbuchgleich. Die Farben der Küche und des Esszimmers komplementieren einander. Seinen Garten in Giverny bezeichnete Monet als sein schönstes Kunstwerk. Er ließ einen Seerosenteich anlegen und studierte die Wasserspiegelungen Stunde um Stunde und Tag für Tag.
Claude MONET, Die japanische Brücke, 1899, National Gallery of Art Washington Claude MONET, Seerosen, um 1915, Online Galerie Neue Pinakothek München
Die Lichtreflexionen auf dem Wasser hatten Monet schon in früheren Zeiten fasziniert. Im Sommer 1869 hatte er die Seine bei der Ile de la Chaussée – bei Stromkilometer 49 – auf seinen Gemälden festgehalten. Gleich neben Monet hatte sein Freund Renoir eine Staffelei aufgestellt. Die damals entstandenen Werke der “Grenouillère” gelten als die ersten impressionistischen Werke der Kunstgeschichte.
Das Neuartige bei den Impressionisten war, dass sie im Freien malten. Bisher hatten Künstler ihre Arbeiten im Atelier geschaffen. Nun aber gab es Ölfarbe in Metalltuben. Die Farbe war dadurch einfacher zu transportieren und trocknete nicht so schnell aus. Renoir ging soweit zu sagen, dass es den Impressionismus ohne die Metalltuben schlichtweg nicht gegeben hätte.
“Ich verdanke ihm alles”
Claude Monet über Eugène Boudin
In Le Havre, wo die Seine in den Ärmelkanal mündet, kann man im Musée Malraux Frankreichs größte Impressionistesammlung außerhalb von Paris besuchen. Das Museum beherbergt Werke von Monet, von Renoir und Pissarro. Eine Wand ist ausschließlich mit Ölbildern behangen, die normannische Kühe zeigen. Die Kühe sind stehend, liegend und kauend dargestellt; unter sonnigem Himmel und unter bewölktem Himmel. Der Künstler, der sie schuf, war Eugène Boudin.
Neben den Kühen malte Boudin insbesondere Strandszenen. Zu seiner Zeit tat sich viel an den Stränden seiner normannischen Heimat. Die Pariser Bourgeoisie entdeckte schließlich gerade die Küste für sich. Seit den 1860er Jahren konnten die Pariser mit einem Zug bis in die Küstenorte der Normandie reisen. Der damals unbedeutende Ort Deauville verwandelte sich in dieser Zeit in ein chices Seebad.
Mit seinen Gemälden lässt uns Boudin das damalige Treiben in den normannischen Seebädern erleben.
Boudin mag vielleicht nicht so bekannt sein wie Monet oder Renoir. Aber es ist der Künstler, über den Monet sagte, er verdanke ihm alles. Als die beiden sich kennenlernten, zeichnete Monet noch Karikaturen. Boudin brachte ihn dann zum Malen in der Freien Natur. “Von diesem Moment an”, erinnerte Monet sich später, “war mir der Weg geebnet und mein Schicksal beschlossen. Was immer auch kommen mochte, ich würde Maler werden.”
Und so ist Monet heute nicht als Karikaturist, sondern als Maler bekannt. Und sicherlich als einer, dessen Werk weitaus bedeutender ist als eine “Tapete in ihrem Urzustand”.
Die Hörproben sind dem Album “Die Welt mit Silvia Sonntag – Mit den Impressionisten entlang der Seine” entnommen.
2 comments
Nun habe ich schon zweimal das Hörbuch über die Reise an die Seine gehört: einmal allein und einmal mit einer Freundin. Wir hatten beide viel Freude an den interessanten Ausführungen über die Impressionisten, ihre Malstätten und -techniken, ihre nicht sehr wohlwollenden Kritiker, die Freizeitvergnügungen der Pariser und manches mehr. Alles ist sehr angenehm anzuhören durch Deine warme Stimme und mit den musikalischen Untermalungen. Ich nehme an, es sind alles Stücke von französischen Komponisten; einiges davon war mir auch bekannt.
Von den Herren Caillebotte und Boudain habe ich noch nie gehört, fand sie dann aber doch in meinen “Google-Büchern”.
Ja, es hat Spaß gemacht, Dir zuzuhören, und ich würde mich freuen, mal wieder Gelegenheit dazu zu haben. Lesen kann ich ja leider gar nicht mehr.
Alles Gute auf allen See-Wegen.
Gisela Paetsch
Liebe Gisela! Ich freue mich sehr, dass Du das Hörbuch mit den Impressionisten entlang der Seine genossen hast. Vielen Dank für Deinen Kommentar und à bientôt!