Vielleicht führt Sie eine Kreuzfahrt einmal an die Côte d’Azur. Dann macht Ihr Schiff vielleicht in Cannes fest, wo jährlich berühmte Filmgrößen zum “Festival de Cannes” eintreffen. Vielleicht geht es aber auch nach Nizza, vorbei am Hotel Negresco, in dem Stars und Sternchen bis heute absteigen. Bei einem meiner letzten Besuche in Südfrankreich lagen wir auf Reede vor St. Tropez. Im Hafen lag eine Luxusyacht neben der anderen, sodass ich kaum einen Blick auf die Hafenfront ergattern konnte. Schwer vorstellbar, dass hier bis vor einigen Jahrzehnten nichts los war!
St. Tropez? – Bei aller Liebe, dann schon lieber Neuruppin.
Kurt Tucholsky
Diese Worte hat der wunderbare Kurt Tucholsky in den 1920er Jahren auf seiner Frankreichreise notiert. In der Tat war St. Tropez damals nur ein kleiner Fischerort. Die Person, die den Ort später bekannt machen sollte, war noch nicht geboren.
Brigitte Bardot war es doch, die ganz entscheidend dazu beitrug, dass St. Tropez das wurde, was es heute ist. Nach ihrem Durchbruch mit dem Film “Und ewig lockt das Weib” (“Et Dieu… créa la femme”) kaufte sie eine Villa in dem damals noch verschlafenen Küstenort. Bald kamen die ersten Besucher, in der Hoffnung, der Bardot zu begegnen.
Heute schmücken sich einige Geschäfte und Restaurants in St. Tropez mit Fotos aus dieser Zeit. Auf manchen dieser Bilder zeigt sich die Schauspielerin im blau-weiß gestreiften Shirt. Nicht nur Brigitte Bardot hat sich im Streifenshirt ablichten lassen, sondern zahlreiche andere Prominente. Audrey Hepburn zum Beispiel oder Coco Chanel. Und auch Picasso ist dafür bekannt, dass er gerne gestreift trug.
In den Läden der Côte d’Azur sieht man mittlerweile kaum etwas, das nicht blau-weiß gestreift ist. Tatsächlich wurde das Streifenshirt einst an der Côte d’Azur salonfähig. Dahinter steckt allerdings nicht Coco Chanel, wie man vielleicht vermuten könnte. Das habe zumindest ich lange gedacht.
Dass man mit einem Streifenshirt “gut angezogen” ist, geht auf Paul Poiret zurück. Das war der Modeschöpfer, der vor Coco Chanel das Sagen in der Pariser Modeszene hatte. Anfang des 20. Jahrhunderts war er nach St. Tropez gekommen. Die südfranzösische Küste galt in dieser Zeit als wahrhaftiger Künstlermagnet, zu dem es insbesondere Maler auf ihrer Suche nach dem besonderen Licht zog.
Paul Poiret hatte im Süden ein Rendez-vous mit Isadora Duncan. Die amerikanische Tänzerin schätzte Poiret als Modeschöpfer außerordentlich, bezeichnete ihn gar als Genie. Nur hatte das modebegeisterte Genie an diesem Tag kein geeignetes Outfit im Gepäck. Und Boutiquen wie Dior und Louis Vuitton säumten die Straßen von St. Tropez damals noch nicht. Davon abgesehen hätte Poiret vermutlich ohnehin nichts bei der Konkurrenz gekauft. Er musste demnach erfindungsreich sein. Was konnte er nur anziehen?
Das einzige, das er in St. Tropez fand – und das ihm mit seiner stattlichen Figur passte – war ein blau-weiß gestreiftes Fischershirt. Dazu kombinierte er eine locker fallende Hose und ein Paar Espadrilles, die Leinenschuhe mit der Kordelsohle. Er war nun passend gewandet für sein Date. Ob dieses erfolgreich verlief, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber zumindest war mit diesem Tag der Streifenlook geboren. Man dachte, Paul Poiret, der angesehene Modeschöpfer, lanciere einen neuen Look. Bald hatte er die ersten Nachahmer, darunter den Prinz von Wales. Später trugen dann die Schauspielerinnen sowie weitere Stars und Sternchen das Streifenshirt. Und auch ich trage gerade gestreift.
Bisous de la Côte d’Azur!