Letztes Jahr um diese Zeit war ich als Lektorin an Bord der Mein Schiff 1 in Mittelamerika. Über einen Ausflug auf eigene Faust auf Roatán/ Honduras und die Bob Marley Gedenkstätte bei Ocho Rios habe ich schon berichtet. Heute geht es ums entspannte Abhängen, genauer um das Abhängen der Faultiere in Costa Rica.
Gaaanz despacito – gaaanz langsam
Die Faultiere gehören zu den bekanntesten Säugetieren Mittelamerikas. Eine Mittelamerikareise wäre, so finde ich, nicht komplett, ohne die haarigen Tierchen gesehen zu haben. Das Landausflugsteam vom Schiff bietet Ausflüge in die Nationalparks Cahuita und Tortuguero an. Mit etwas Glück kann man die Tiere dort in den Bäumen erspähen.
Wahrscheinlich sehen Sie die Faultiere auch im Parque Vargas in Puerto Limón. Denn wenn ein Faultier dort gestern noch hing, wird es am nächsten Tag nicht weit gekommen sein. Der Park liegt direkt gegenüber des Hafenausgangs. Vor meinem ersten Besuch in Puerto Limón hatte ich gelesen, dass man sich bei der Planung der Anlage an den Gärten von Versailles orientiert habe. Mit dieser Erwartungshaltung konnte ich nur enttäuscht werden. Aber eines hat der Vargas Park, was der Sonnenkönig sicherlich nicht in seinem Garten hatte: Faultiere.
Die Tiere sind im Park leicht zu finden, denn es versammelt sich immer eine Menschenschar unter den Bäumen, in denen die Faultiere hängen. Faultiere sind ein Traum für Fotografen. Sie bewegen sie sich so behäbig, dass selbst Schnecken ein gestochen scharfes Foto schießen könnten.
In Costa Rica leben zwei Faultierarten, die Zweifingerfaultiere und die Dreifingerfaultiere oder anders ausgedrückt: Faultiere und besonders faule Faultiere. Dreifingerfaultiere sind von Natur aus hervorragend für ein entspanntes Abhängen in den Bäumen ausgestattet: Ihre bis zu zehn Zentimeter langen Krallen ermöglichen ihnen einen verlässlichen Halt am Ast. Mit ihren zahlreichen Halswirbeln können die Tiere ihren Kopf um bis zu 270 Grad drehen. Sollten sie damit noch nicht an ein essbares Blatt gekommen sein, hilft ihre bis zu 25 Zentimeter lange Zunge.
Ein Faultier hat also eigentlich keinen Grund sich groß zu bewegen.
Aber hin und wieder ist etwas Bewegung unumgänglich: Wenn das Faultier “mal muss”. Das ist nicht oft der Fall, da sich die Tiere fast ausschließlich von Grünzeug ernähren. Bis das durch alle vier Kammern ihres Magens gewandert ist, vergehen im Schnitt sieben Tage. Dann hilft aber wirklich nichts und das Faultier muss sich bequemen den Baum herunterklettern. Das macht es natürlich gaaanz despaciiito. Am Boden angekommen gräbt sich das Tier eine Kuhle. Die darf nicht zu klein sein, schließlich kann ein Faultiermagen bis zu einem Drittel des Körpergewichts eines Faultiers fassen. Die Verrichtung braucht also seine Zeit und ist daher ein extrem risikoreiches Geschäft. Etwa die Hälfte aller tödlich endenden Angriffe auf Faultiere (beispielsweise von der Harpyie) ereignet sich beim Toilettengang.
Ich habe mich einmal einem Landausflug zur Faultierauffangstation angeschlossen. Ein Team rund um die Initiatorin Judy kümmert sich dort um Faultiere, die einen Unfall hatten oder in unsanfte Menschenhände geraten waren. Leider sind die Tiere in der Faultierauffangstation hinter Gittern. Ich hatte aber den Eindruck, dass sich Judy und ihre Mitarbeiter liebevoll um die Tiere kümmern.
Die berühmteste Bewohnerin der Auffangstation ist die Faultierlady Buttercup. Im Internet hatte ich schon viele Fotos gesehen, auf denen Buttercup das Nichtstun in ihrem Korbsessel genoss. Die Dame ist jedoch vor einiger Zeit im hohen Faultieralter von 27 Jahren verstorben. Die “Buttercup’s waiting area” – die “Buttercup Wartezone” – erinnert noch heute an die charismatische Faule.
Wo Sie in Puerto Limón Faultiere sehen können, wissen Sie nun. Allerdings wird es wohl noch etwas dauern, bis Kreuzfahrtschiffe wieder in Mittelamerika unterwegs sind. Versuchen wir, solange das Faultiermotto zu beherzigen:
Keep calm and hang on!